Sonntag, 14.08.2011 (2)

Abenteuer Schleuse_812 Uhr Mittag, High Noon - Gary Cooper schreitet langsam durch die Mittagssonne zum Duell.

Ach nee, es ist 13:30, kein Lüftchen weht, die Temperatur liegt bei gefühlten 40 Grad. Der VW-Kombi aus Iserlohn biegt langsam in die Parkplatzeinfahrt ein und über den glühenden Asphalt rollt er, nicht ohne, dass zuvor die Parkgebühr gezahlt wurde, auf den Platz. Das Duell Mann gegen Berg nimmt seinen tragischen Anfang. Trockener Staub weht über die Wälder der Sächsischen Schweiz. Die Sonne brennt erbarmungslos auf die ausgedörrte Landschaft. Zwei wahnsinnige Westfalen steigen aus der gut klimatisierten Limousine. Marion und ich.

 Die Hitze trifft uns wie ein Schlag.

Marion hat eine Besichtigungstour in ihrer feinen Wanderkarte gefunden. Der Weg soll uns zur Oberen Schleuse führen, denn da kann der willige Tourist mit einem Kahn durch die wilde Schlucht der Kirnitzsch fahren. Wanderzeit: 45 Minuten. Soweit die Theorie.
Wir gehen los. Ich sehe ein Schild: >Hier hält die Pferdekutsche<. Marion meint: „Bis die hier ist, sind wir schon an der Schleuse“. Mordlust glitzert in ihren Augen, oder ist es die Sonne?

Wir gehen also nochmal los.

Abenteuer Schleuse_1Um 13:39 Uhr fotografiere ich noch fröhlich lächelnd künstliche Bienchen, die ein Gartenbesitzer aufgebaut hat. Vorbei an weiteren Gärten streben wir den Waldwegen zu. Um 14:03 Uhr erreichen wir viele, in den Fels gehauene oder in den Boden eingegrabene, mit Balken gesicherte, Treppenstufen. Der Weg führt steil bergab, was mich wiederum etwas irritiert. Wollten wir nicht zur OBEREN Schleuse? Nachdem ich viele holperige Stufen nach unten gegangen bin, trifft mich die Erkenntnis wie ein trockener Lappen (einen nassen Lappen würde ich vor Durst jetzt sofort aussaugen): Wenn ich hier jetzt viele kleine Wald- und Felsstufen, Stahltreppen und Steilhänge hinunterstürze, dann muss ich die auch irgendwann, irgendwo wieder hinaufeiern.
Meine 5 kg Kameraausrüstung lacht sich bei dem Gedanken einen Ast über meiner Schulter.

Nach über hundert Stufen und einer halben Stunde Füße ablaufen erreichen wir eine Kutschenhaltestelle. Ich will warten, bis die Kutsche kommt. Marion meint, die 10 Minuten können wir auch noch gehen und tippelt fröhlich allein weiter. Ganz klar, die Frau will mich fertig machen, denn ich kann sie ja nicht allein in der Wildnis lassen. So schleife ich meinen Körper über meine Brustwarzen die letzten Abhänge hinunter und erreiche, trocken wie ein altes Graubrot die Kahnstation.

Die Uhr meldet: 14:25 Uhr. Da waren wir doch fast in der Zeit. Nach Schandau, Hohnstein, Wasserfall und jetzt bergab, freuen sich meine Füße auf ein paar Minuten Kahnfahrt.

Um 14:45 Uhr legen wir und einige andere Kahnfahrer mit dem Kahn ab. Wir werden auf der 700 Meter langen Fahrt durch die Schlucht und entlang der Grenze zu Tschechien vom Kahnführer gut unterhalten. Er zeigt uns Felsformationen, die mit etwas Fantasie an Frösche, Krokodile und Trolle erinnern. Mit vielen Scherzen garniert, erfahren wir einiges zur Geschichte dieses Flussabschnittes.
Die Kirnitzsch wurde gestaut und bei Bedarf wurde das Wasser abgelassen. Die Flutwelle nahm die gefällten Baumstämme mit bis zur Elbe. Heute ist die Staumauer ein technisches Denkmal.

An dieses Denkmal legen wir um 15:10 Uhr an. Mein Körper weigert sich wieder zu gehen. Ich frage den Kahnführer, ob er mich wieder mit zurück nimmt und mich nach Feierabend mit seinem PKW zum Parkplatz fährt. Irgendwie kommen wir aber nicht überein und so nimmt das Schicksal um 15:11 Uhr in Gestalt von 140 Stufen im Berg seinen unerbittlichen Lauf.

Stufe für Stufe werden meine Kamera und mein Körper schwerer. Meine Beinmuskeln schreien gefoltert auf, mein Herz rast mit 200 Touren durch die Sächsische Schweiz. Mir wird nicht warm, nein, mir wird heiß. Mit Mühe und Not erreiche ich die letzte Stufe und falle fast sterbend auf einen Felsen. Ungelogen, noch eine Treppe mehr hätte ich nicht mehr geschafft.

Freundlicherweise haben wir natürlich nichts zu trinken mit. Und noch viel schlimmer: Wir müssen noch eine ganze Ecke weiter bergauf, allerdings jetzt ohne Treppen. Mein Körper trocknet langsam aus, meine Diabetes macht die Kellerfahrt und mein Herz stolpert vor sich hin. Zweimal sage ich unterwegs dieser Erde ade, aber mein Körper schleppt sich ohne mein Beitun weiter. Ein junges Mädel, so um die 13 Jahre herum hat diese Phase ebenfalls erreicht und schleppt sich neben mir her und bremst ihre Eltern 100 Meter weiter vor uns aus. „Wandern ist Sch..“, sage ich. Ein heftiges Nicken ihres Kopfes bestätigt das und ein leises, „ganz große“ entweicht ihrem Munde. Wieder Jemand,der nie wieder wandern wird.

Glückshormone stellen sich bei dieser sportlichen Höchstleistung bei mir nicht ein, aber dafür rinnt mir der Schweiß die Kimme runter. Endlich begibt sich der Weg in die Waagerechte und wir brauchen nicht mehr bergauf zu steigen. Das ist meinem Astralleib aber inzwischen egal.

Nach unendlich langer Zeit (ich habe nicht mehr auf die Uhr geschaut) tauchen die Gärten wieder auf und das Lokal. Das Lokal und Apfelschorle, eine große Apfelschorle.

Eine Apfelschorle, die meine Lebensgeister wieder weckt.

Mein Astralleib schwebt neben mir und sagt zu mir: „Wenn du noch einmal so eine Wanderung machst, dann bleibe ich zu Hause“.

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